NOCTURNE – Ahnung, Abgrund und Apokalypse in der zeitgenössischen Kunst

30. Januar – 3. Mai 2015

Bilder von Krieg, Apokalypse und Scheitern gehören ebenso wie dunkel sich ankündigendes Unheil seit Jahrhunderten zum festen Kanon der Kunstgeschichte. Künstlerinnen und Künstler stellen der hellen Vitalität des Lebens immer wieder Darstellungen seiner düsteren Schattenseiten entgegen und schaffen Gleichnisse der Vergänglichkeit menschlichen Tuns. Sie entwerfen verstörende Szenarien des Untergangs, schaffen vielgestaltige Metaphern des Scheiterns und verleihen dem ängstlichen Gefühl von Ohnmacht ebenso ein Gesicht wie sie über die Schuldhaftigkeit des Menschen reflektieren. Dunkle Ahnungen, verborgene Ängste und kollektive Traumata schreiben sich sowohl in visionären Traumlandschaften ein als sie sich als bedrohlicher Schleier über scheinbar harmlose Szenen des Alltags legen. Dem Licht stellt sich das Dunkel zur Seite, dem Leben die Gewissheit seiner Endlichkeit.

Die Rationalität der Moderne hat mit den traditionellen Vorstellungen des Schreckens gründlich aufgeräumt. Anstelle der Visionen unheilvoll wirkender Mächte ist das Wissen um das kalkulierte Risiko, um die Beherrschbarkeit der Welt und ihre ausnahmslose Unterwerfung getreten. Die Virtualität der Medien- und Kommunikationsgesellschaft hat die Geister des Untergangs eingefangen und sie in ein berechnetes Spiel mit der Dunkelheit überführt. Angesichts der Perfektion, mit der der moderne Mensch sein Lebensumfeld gestaltet und verändert, scheint alles Ahnungsvolle, Rätselhafte und Diffuse obsolet geworden zu sein. Und dennoch erleben diese Themen eine unerwartete Renaissance und das Spiel mit dem Schrecken eine nie gesehene Konjunktur.

Die Ausstellung „Nocturne“ in der Kunsthalle der Sparkasse versammelt Arbeiten einer vorwiegend jüngeren Generation von Künstlerinnen und Künstlern aus Leipziger Galerien, die sich in Malerei, Zeichnung und Skulptur diesen klassischen Sujets der Kunst zuwenden. Ausgehend von der heutigen Lebenswirklichkeit versuchen sie, jene diffusen Schattenseiten der menschlichen Existenz künstlerisch zu ergründen. In einer Zeit schillernden Fortschrittsglaubens, allseitiger Optimierung des menschlichen Lebensraums und medialer Informationsfluten widmen sie ihre Aufmerksamkeit dem nach wie vor präsenten Bereich des Dunklen, Ahnungsvollen und Beängstigenden und befragen damit die abgründigen Konstanten täglicher Lebenserfahrungen. Die Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen der Ausstellung „Nocturne“ lassen die Schatten kunsthistorischer Endzeitvisionen wiederkehren und denken neu über deren Funktionen im Zeitalter von Information und Hochtechnologie nach. Mit ihren Arbeiten formulieren die Künstlerinnen und Künstler zeitgenössisch adaptierte Metaphern und greifen im Ersinnen gegenwärtiger apokalyptischer Szenarien gleichermaßen auf bekannte Strategien des Drastischen und Plakativen zurück wie sie mit dem subtilen Blick des Medialen ihr Lebensumfeld sondieren oder auf ironische Distanz zum Spektakel des Grauens gehen: Blitze zucken über der Peripherie der Stadt, einer jungen Frau kündigt sich im Zwielicht Ungewisses an, über eine wüste Landschaft scheinen Dürers apokalyptische Reiter hinweggefegt zu sein. Das Sinnbild des stürzenden Ikarus avanciert zu einer multiplen Standortbestimmung des Menschlichen und Böcklins Toteninsel bildet die bildmächtige Folie für eine Bestandsaufnahme des klassischen Memento Mori. Alle diese zeitgenössischen Bildfindungen reihen sich ein in eine vielgestaltige Bildwelt des Dunklen und Abgründigen als nach wie vor aktuellen Themen der bildenden Kunst.

Mit Arbeiten von Tilo Baumgärtel, Arno Bojak, Marcin Cienski, Andreas Grahl, Sten Gutglück, Stella Hamberg, Julius Hofmann, Rémy Markowitsch, Sophie von Stillfried, Richard Stipl und Markus Uhr. Kuratiert von Ralf F. Hartmann

Leihgeber: Galerie Kleindienst, Eigen + Art, Galerie Jochen Hempel, Laden für Nichts, Galerie Artae, Maerzgalerie, Galerie Dukan, Josef Filipp Galerie, Galerie Potemka und die KünstlerInnen.