THINGS TO COME

Zeitgenössische Objektkunst

5. Oktober 2016 bis 8. Januar 2017

Rund einhundert Jahre, nachdem der französische Konzeptkünstler Marcel Duchamp (1887-1968) mit seinem berühmt gewordenen ›Porte-bouteilles‹ – einem Flaschentrockner aus galvanisiertem Eisen, den er 1914 in den Pariser Grands Magasins erwarb und mit einer Inschrift und seiner Signatur versah – die bildende Kunst um das Ready-Made bereicherte und für die Produktion wie die Rezeption von Kunst eine immense Horizonterweiterung bewirkte, sind Alltagsgegenstände und Objets trouvées aus der bildenden Kunst nicht mehr weg zu denken. Was ursprünglich als Protest einer jungen Künstlergeneration gegen starre Kriterien und zweifelhafte Wertmaßstäbe angelegt war, ist heute – in den Zeiten der Post-Post-Moderne – gängige künstlerische Praxis und gehört zum selbstverständlichen Repertoire der bildenden Kunst. Immer wieder setzen sich Künstlerinnen und Künstler zu ihrer dinglichen Umwelt ins Verhältnis und thematisieren damit nicht nur die soziale Bedeutung von Objekten und Waren für den Alltag moderner Industrienationen, sondern sie beobachten den grundlegenden Stellenwert, den der Mensch seiner Umwelt aus natürlichen und artifiziellen Gegenständen zuweist. Auch diese Umwelt untersteht komplexen Prozessen. Sie können zu Fetischisierung, Aufladung und Überhöhung führen, ebenso wie zu Deformation, Banalisierung und Zerstörung. Immer aber bleiben die Dinge Indizien für Zuschreibungen, die der Mensch im Moment ihrer Wahrnehmung vollzieht.

Die Ausstellung versammelt Arbeiten von dreizehn zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus Leipzig und Berlin, in denen der Umgang mit vorgefundenen Objekten und Gegenständen des Alltags eine zentrale Rolle spielt. Dabei sind die Beweggründe für diese künstlerische Praxis durchaus verschieden: sie reichen von der Ästhetisierung des Dinglichen und dessen künstlerischer Manipulation bis hin zum assoziativen Einsatz in veränderten narrativen Kontexten. Erfahren die Objekte zum einen durch ihre Isolierung aus dem ursprünglichen funktionalen Zusammenhang oder durch Verlagerung in eine andere Materialität eine sinnliche Überhöhung, so fordert ihr Einsatz zum anderen durch Einbeziehung in komplexen Kompositionen die menschliche Einbildungskraft und die Schärfung der Wahrnehmung heraus. Nicht selten geben sich erst in den künstlerischen Arbeiten die Geschichten der Dinge und ihre verborgene Poesie jenseits einer unmittelbaren Lesbarkeit zu erkennen, lädt das Spiel mit Anordnungen und Akzentuierungen die Betrachtenden zur Reflexion über unsere artifizielle Lebensumwelt und die Themen des Menschlichen ein.

Zu sehen sind Arbeiten von Peggy Buth, Andreas Grahl, Bertram Haude, Vanessa Henn, Frenzy Höhne, Astrid Klein, Silke Koch, Ralf Lücke, Claudia Annette Maier, Regine Müller-Waldeck, Jonas Paul Wilisch, Susan Winter und Veronika Witte.

Ralf F. Hartmann, Kurator